Auf dem Reiterhof in Verberg werden gleich drei Pferde für Reiter aus verschiedenen Ländern unter Anleitung von Jean Bemelmans trainiert, die bei den Olympischen Spielen in Rio dabei sind. Internationale Dressurreiter schätzen den Rat des gebürtigen Belgiers.
Wenn Jean Bemelmans nach seinen Erfolgen als Dressurtrainer gefragt wird, dann schaut er zunächst ein wenig verlegen zurück, lacht und sagt: “Das weiß ich gar nicht mehr so genau.” Dabei ist die Liste der Erfolge des gebürtigen Belgiers lang. 15 Jahre lang hat der Cheftrainer der Krefelder Reitanlage Gut Auric in Verberg arbeitende Bemelmans die spanische Dressurequipe betreut, bis zu den Olympischen Speilen 2012 in London. Sieben Medaillen holten sein Schützlinge in dieser Zeit, wurden Vizeweltmeister und holten Silber mit dem Team und Bronze im Einzel bei den Olympischen Spielen im Jahr 2004 in Athen. Nach London hörte Bemelmans dort auf und wechselte zur französischen Dressurauswahl. Die hing seinerzeit ziemlich in den Seilen, bin eben Bemelmans kam – und den Erfolg mitbrachte: Frankreich hat sich zum ersten Mal für Olympische Spiele in der Dressur qualifiziert – ein Erfolg, an dem der Krefelder großen Anteil hat.
Sein guter Ruf hat sich in der Branche der Dressurreiter herum gesprochen. Und so schätzen nicht nur Nationen den Rat und die Ausbildung des 1984 Eingedeutschten, sondern auch einzelne Reiter, wie Borja Carrascosa. Der Spanier, der für Gut Auric startet, hat vor wenigen Tagen mit seinem Pferd Wonder den dritten Platz bei den spanischen Meisterschaften erreicht und wartet nun auf die Bestätigung, dass er bei den Olympischen Spielen für sein Land antreten darf. “Zu 80 Prozent gilt seine Nominierung als sicher. Spanien hat fünf Startplätze, er ist Dritter geworden. Das sollte also reichen”, sagt Jean Bemelmans, der den heute 34-Jährigen schon als 14 Jahre alten Steppke kennt und den er mit nach Krefeld geholt hat, wo er nun auf Gut Auric arbeitet – und der mit dem spanischen Team durchaus zum erweiterten Kreis der Medaillenanwärter zählt.
Die Qualifikation für Rio bereits im Sack hat hingegen Yvonne Lossos de Muniz. Auch sie trainiert zurzeit auf Gut Auric und bereitet sich unter Bemelmans Anleitung auf die Olympischen Spiele vor. “Das gab es weltweit auch noch nie, dass sich Vertreter von drei Reitnationen am gleichen Standort auf Olympia vorbereiten”, sagt Bemelmans.
Sein Schützling startet in Rio für die Dominikanische Republik, sie ist die einzige Starterin überhaupt aus ganz Südamerika in der Dressur – was schon ein wenig verwundert, schließlich ist Südamerika doch Heimat der Gauchos, die seit dem 17. Jahrhundert mit ihren Pferden durch die Pampa streiften auf der Suche nach frei lebenden Rindern. “Aber: “Die Qualität von Dressurreitern ist in Südamerika nicht sonderlich hoch”, erzählt die 49-Jährige, die auch schon eine Art Himmelfahrt hinter sich gebracht hat, bis es sie in die Dominikanische Republik geschafft hat. “Ich bin quasi auf dem Pferd geboren”, erzählt sie. Das war vor nunmehr 49 Jahren in Nigeria, in das ihre Eltern einst aus Europa ausgewandert waren. Bis zu ihrem 15. Lebensjahr lebte sie in Afrika, von dort ging es weiter nach Kanada und von dort aus eben in die Karibik – ein Pferd immer sozusagen im Gepäck. Und das durchaus auch erfolgreich, auch wenn Rio ihre erste Teilnahme an Olympischen Spielen bedeutet und sie dementsprechend nur als Außenseiterin dabei sein dürfte.
50 Reiter starten in Rio in der ersten Klasse, dem Grand Prix, die besten 25 dürfen am zweiten Tag beim Grand-Prix-Spezial noch mal ran, und davon wiederum die besten 15 reiten die Kür, nach der letztlich die Medaillen vergeben werden. “Ich wäre schon froh, wenn ich nach der ersten Runde noch dabei bin”, sagt Yvonne Lossos de Muniz, die sich in Krefeld auf Gut Auric den Feinschliff in Piaffe und Passage holt, die bei den Internationalen Grand Prix fester Bestandteil der Darbietungen von Pferd und Reiter sind.
Immerhin hat sie gute Erinnerung an das Reitstadion in Rio: Vor ziemlich genau neun Jahren, im Juli 2007, wurde sie dort bei den Panamerikanische Spielen Dritte in der Dressur. Und ihr Trainer war – Jean Bemelmans. “Wir haben in Rio also sozusagen ein Heimspiel”, sagt der Trainer und lacht.
Am 10. August beginnen in Rio die Wettkämpfe, schon am 2. August geht’s für ihr Pferd Foco Loco W in den Flieger nach Brasilien – eine große Belastung für die Tiere. Allerdings sind die Transportcontainer in den Flugzeugen ziemlich geräumig, bieten sogar mehr Platz als die meisten Transportanhänger fürs Auto. “Im Grunde kann man das mit dem Fliegen in der Economy-Class beim Menschen vergleichen. Mit einer entsprechender Vorbereitung ist das auch kein Problem für die Pferde”, sagt Bemelmans – wohl wissend, dass die Dressurreiter ihre Pferde mindestens so sehr hüten wie Mütter ihre Kinder, “wenn nicht sogar noch mehr”, sagt der Trainer.
Umso tragischer ist es dann für den Reiter, wenn ihre Pferde dann ausfallen. Isabell Werth etwa, die deutsche Weltklasse-Dressurreiterin und fünffache Olympiasiegerin, muss in Rio auf ihre beiden Top-Pferde Bella Rose und Don Johnson verzichten. Und Andreas Dibowski aus dem niedersächsischen Döhle kann in Rio nicht im Vielseitigkeitswettbewerb starten, weil sein Pferd Avedon nicht fit ist.
Entsprechend gute Behandlung des Pferdes sei also zwingend notwendig, sagt Jean Bemelmans. Denn ein gutes Dressurpferd bringt nicht nur eigenes Talent und einen guten Bewegungsablauf mit sich, sondern auch einen eigenen Willen und eine eigene Begeisterung für den Sport. “Das Pferd muss in dem Sport selbst ein Stück weit aufgehen. Es muss auf den Punkt genau an dem Tag, wo es drauf ankommt, seine beste Leistung zeigen wollen. Und, ganz wichtig: Das Pferd muss auch für seinen Reiter kämpfen”, erläutert Bemelmans. Dazu ist eine jahrelange Ausbildung notwendig. Acht Jahre dauert es in der Regel mindestens, bis ein Pferd die Fähigkeiten erworben hat, bis es in der Dressur Höchstleistungen bringen kann. “Die meisten Pferde sind bei Olympia daher auch zehn Jahre oder älter”, weiß der Krefelder.